Von Heiner Schultz
Es gibt Leute, die immer wieder für Überraschungen gut sind, und dazu gehört die rührige Gruppe des „Keller Theatre“. Jetzt haben sie das Mathematikum als Spielplatz entdeckt und präsentieren in diesen heiligen Hallen ihre neue Produktion „Proof“ von David Auburn. Die Premiere war gut besucht.
In der Inszenierung von Martin P. Koob entspinnt sich ein lebhaftes Beziehungsgewebe in jenen Gefilden menschlichen Seins, in denen Wahnsinn und Normalität unauffällig aneinander grenzen.
Es fängt gleich mysteriös an, wenn der große Mathematiker Robert (Peter Merck) sich mit Tochter Catherine (erstmals: Natascha Barrett) tief in der Nacht an ihrem Geburtstag unterhält und man merkt, dass in ihm Kompetenz und Konfusion gleichermaßen zu eigen sind, Tendenz zu letzterem. Merck navigiert mit einer gewissen Distanziertheit durch den Text und lässt seine Figur zuweilen dennoch geradezu anrührend verletzlich wirken.
Natascha Barrett bekommt es gut hin, als junge Mathematikerin zugleich im Schatten ihres Vaters zu stehen und sich daraus befreien zu wollen, während sie auch nicht ganz mit beiden Beinen im Hier und Jetzt steht. Das ist besonders im ersten Akt prägnant, interessant und humorvoll anzusehen. Nicht zuletzt durch ihre Schwester Claire. Die souverän aufspielende Jessica Schulze-Bentrop macht schon durch ihre Statur einen soliden Eindruck, aber wie sie ihre Zweifel an Schwesterchens Gesundheit äußert, das ergibt auch ein paar köstliche Pointen.
Ein echter Zugewinn ist auch Niclas Palutta als Mathematiker Hal, der sich für die Inhalte und die Tochter interessiert, die das alte Mathematikgenie hinterließ. Er zeigt wie Schulze-Bentrop ausgezeichneten Sinn für Humor und Nuancen, was der Inszenierung so manchen Glanzpunkt beschert.
Das Stück arbeitet mit Rückblenden, was die Sache kurzweilig und abwechslungsreich macht. Es geht zum einen um die Frage, was der alte Großmathematiker denn in seinen über hundert Notizbüchern festgehalten hat, die ihn zum Ende seines Lebens so intensiv beschäftigten.
Und dann gibt es noch eins, in dem sich der titelgebende mathematische Beweis (Proof) findet, dessen Urheberschaft dann noch in Zweifel gezogen wird: „I wrote it“, sagt Tochter Catherine irgendwann. Da legst di’ nieder, denkt sich der Zuschauer, erinnert sich dann jedoch, dass die junge Frau auch nicht so ganz sicher zwischen Traum und richtigem Leben unterscheiden kann. Oder will, wer weiß?
Koobs Inszenierung, im ersten Akt etwas flüssiger als im zweiten, bringt handfeste menschliche Momente und einige ebenso brauchbare Denkanstöße über die Übergänge zwischen Genie und Wahnsinn. Großer Beifall.
Weitere Aufführungen am 18., 19. und 20. März im Mathematikum, Reservierungen unter 06403-977863 oder im Internet unter „tickets@keller-theatre.de .