Gießener Anzeiger vom 4. Mai 2009

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Das Ensemble des Gießener Keller Theatre in "Gift Exchange". Bild: Schultz

Europapremiere in der Bleichstraße

Keller Theatre spielt Greg Turners "The Gift Exchange" an der Kleinen Bühne Gießen

Heiner Schultz/GIESSEN. Als vollen Erfolg kann das Keller Theatre seine neueste Produktion "The Gift Exchange" verbuchen. Die von Martin P. Koob inszenierte Komödie des New Yorkers Greg Turner fand in Anwesenheit des Autors statt und nicht nur seine, sondern auch die uneingeschränkte Anerkennung des Publikums in der ausverkauften Kleinen Bühne Gießen in der Bleichstraße. Das lag zum einen am sehr witzigen Stück, zum anderen an der exzellenten Leistung des Ensembles bei dieser Europapremiere.
Zwei befreundete Ehepaare treffen sich zu Weihnachten, und Mike (herausragend: George Rueckert) sieht auf des Freundes Wunschzettel seine Frau! Einmal nur möchte Tucker (routiniert: Martin P. Koob) die Frauen tauschen, aber erst nächste Weihnachten, so dass Mike sich noch etwas drauf vorbereiten kann.
Die Dinge entwickeln sich jedoch nicht nur in gewünschte Richtungen, da Ellen (tadellos: Gaby Hopfenmüller) und Lorraina (rundum sicher: Alye Inceöcz) natürlich Wind von der Sache bekommen. Das Ensemble erweist sich einmal mehr als sprachlich kompetent und sicher, und vor allem das Timing ist einwandfrei. Das bekommt den zahlreichen Pointen in den Dialogen sehr, die der erst 27-jährige Autor serviertt.
Ganz auf der Höhe der Zeit, modern und zudem ungeniert im Tonfall (gelegentliche "four-letter-words" sind ja für die inzwischen zivile Truppe keine Hürde mehr) gewinnen die Figuren spürbare Vitalität, ohne im geringsten vulgär zu wirken. Spritzig und zuweilen geistreich sind die Dialoge, während Turner das Ganze genüsslich auf den Höhepunkt zu köcheln lässt. Nicht ohne zwischendrin plötzlich mal eine ganz ernste Phase einzustreuen, in der das Publikum - so gut funktioniert die Inszenierung - plötzlich mucksmäuschenstill wird.
Zumeist ist es jedoch heiter, auch der Autor sieht seinen Geschöpfen lachend zu. Den Grund dazu liefern die Akteure, die rundum ruhig und sicher, auch einige schwierige stille Momente bewältigen und damit, besonders in der nachdenklichen Schlussszene, die Stimmung glaubwürdig relativieren. Insgesamt eine der besten Leistungen des Ensembles, nicht zuletzt durch die gelungene Inszenierung Koobs.
"Ich mach das schon seit der Schule", sagt Greg Turner, 27. Der Autor will sein kürzlich geschriebenes Drehbuch zu "Gift Exchange" (Uraufführung 2007) demnächst in Vermont verfilmen. Turner machte 2003 seinen Abschluss am New York University Department of Dramatic Writing (BFA) und 2005 im Musical Theatre Writing Program (MFA). Unter anderem bereitet der hochaktive und an der Ostküste nicht mehr unbekannte junge Autor mit Koautor Brian Hewson ein Lieblingsprojekt vor, eine Internet-Soap-Oper (10 mal 5 Minuten); Start soll später dieses Jahr sein. Schüchtern genießt er fast etwas ungläubig den Europapremierenerfolg seines Stücks in Gießen.
Das Keller Theatre, das älteste englischsprachige Theater in Deutschland, schließt mit dieser Produktion seine 50ste Spielzeit ab und kann relativ zuversichtlich in die Zukunft sehen.
Die Besucherzahlen in den zwei Spielorten sind fast in Ordnung, die Truppe hat nach dem Verlust des langjährigen Direktors David McGown Turner deutlich Tritt gefasst und vor allem eine sichere Hand in Stückauswahl und Inszenierung bewiesen. Gerade wieder, und dafür gab´s Riesenbeifall.
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Weitere Aufführungen in der Kleinen Bühne Gießen, Bleichstraße 28, am 8., 9., 15. und 16. Mai, jeweils um 19.30 Uhr. Karten 06403-979 4090 und tickets@keller-theatre.de