Gießener Allgemeine Zeitung vom 13. Oktober 2008

Eine zerbrochene Schneekugel ist Kontaktstart

Wer nicht auf einer Talsohle verweilen möchte, sucht sich einen Weg bergauf. Beim arg gebeutelten English Language Theatre ist naturgemäß nicht von heute auf morgen wieder tutti paletti.

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Auf der »Kleinen Bühne« in der Bleichstraße 28: Jan Hufnagel (l.) und Gaby Hopfenmüller im Zwei-Personen-Stück »Hate Mail« (Foto: vh)

Aktuelle Arbeitsergebniss bezeugen den Überlebenswillen, indem helfende Hände beispielsweise Kreativpotential entwickeln. Michael Hecke etwa, traditionell zuständig für Licht und Ton, hat jetzt die Theater-Spielzeit 2008/2009 einem zwölfseitigen A5-Farbprospekt anvertraut, dessen professionelle Gestaltung angesichts derzeitiger Ressourcenknappheit die berechtigte Hoffnung nährt, demnächst auch den dringlichste Angelegenheit von Ensemble und Förderverein, einen festen Theaterstandort, auf die Reihe zu kriegen.
Zum Saisonstart am Wochenende zeigte sich die »Kleine Bühne« in der Bleichstraße 28 wieder gastfreundlich. Platz für größere Produktionen fehlt, sodass man improvisieren muss. Nach dem Abzug der Amerikaner und dem Tod des früheren Intendanten und Schauspielers David McGown Turner fehlt aktuell ebenso eine wünschenswerte Personaldecke. Umso erfreulicher, wenn sich zur Schauspielerei Berufene aufrappeln wie Jan Hufnagel, dessen Erfahrungsschatz als Zeremonienmeister bei einem hiesigen Fassenachtsverein ja gewissermaßen der Garant für fehlende Berührungsängste gegenüber Publikum ist.
Inspiriert vom Bühnenstück »Love Letters«, das dem US-Dramatiker A. R. Gurney den Pulitzer-Preis einbrachte, entwickelten Bill Corbett und Kira Obolensky ihre Komödie »Hate Mail« (2004) für zwei Personen. Preston (Hufnagel), das verzogene Kind reicher Eltern und Dahlia (Gaby Hopfenmüller), die ängstliche Künstlerin. Die textlastige Geschichte startet, nachdem Preston im New Yorker Big Apple Shop, Dahlias Arbeitsplatz, ein Schneekugel-Diorama der Metropole erworben hat. Auf dem Rückflug nach Minneapolis geht das Gebilde zu Bruch. Preston verlangt Schadensersatz, was Dahlia verweigert. Das Unheil nimmt seinen Verlauf.
Aus dieser eigentlichen Nichtigkeit entspinnt sich ein überaus eifriger Kommunikationsaustausch per Briefpost, Notizzettel und e-Mails. Preston hat offenbar nichts anderes zu tun und verlegt unbändige Energie in diesen grandiosen Schriftverkehr. Hufnagel meistert den vorgegebenen Stoff; wie er das macht, einschließlich weniger Kostproben im gestischen Bereich, ist für die Zukunft vielversprechend. Hopfenmüllers Rolle lässt mehr Raum für Darstellerisches zu. Sie verleiht der Dahlia zunehmend Selbstbewusstsein. Seitens der Regie wäre eine kreative Raffung der Vorlage wünschenswert, falls die Urheberrechte das zulassen.

Termine am 17., 18., 24. und 25. Oktober, jeweils 19.30 Uhr auf der »Kleinen Bühne«. vh