Gießener Anzeiger vom 19. April 2010

Neue Songs verleihen barocker "The Beggar´s Opera" viel Schwung

Frische, charmante anglischsprachige Inszinierung mit spielfreudigem Einsatz

beggars3
Ende gut, alles gut: Marcus Kleppe, Nicole Lüttich und Katharina Müller (von rechts) sehen einer strahlenden Zukunft entgegen. Bild: Schultz
Von Heiner Schultz
GIESSEN.Einen glänzenden Eindruck hinterließ John Gays Musical „The Beggar’s Opera“ in der Inszenierung von Elisabeth Sommerhoff am Freitag im amerikanischen Keller Theatre. Das enorm spielfreudige Ensemble – Teilnehmer eines Uni-Seminars im Bereich „Außerfachliche Kompetenzen – setzte die dramatischen wie die emotionalen Momente packend um, und Martin Sommerhoffs neu vertonte Songs rundeten die schwungvolle Angelegenheit kongenial ab: Die restlos ausverkaufte Premiere war ein Volltreffer.
Die Vorlage hat es in sich, schließlich motivierte sie Bert Brecht und Kurt Weill zur „Dreigroschenoper“. Zu Beginn kommt erst mal der Bettler auf die Bühne und erklärt, dass man wirklich eine Oper gebe, obwohl das Stück nicht völlig unnatürlich sei. Es ist vor allem schwungvoll mit einem kräftigen Schuss Satire. Die berufskriminellen Eltern Peachum (effektiv: Sergej Gil und Claudia Dohmjahn) etwa überlegen gerade gemeinsam, welche ihrer ertragsschwachen Gauner sie an die Obrigkeit verraten sollen, als sie erfahren, dass Töchterchen Polly ausgerechnet den Straßenräuber Macheath ehelichte – und jetzt? Jetzt nimmt das Stück Fahrt auf, denn die Eltern beschließen, die Tochter schnellstens zur Witwe zu machen und sich zugleich das Kopfgeld auf den Nichtsnutz von Gatten zu sichern. Dieser robuste Humor prägt das Stück und sorgt für zahlreiche Pointen. Die Darsteller, teils äußerst sprachbegabt, ansonsten sehr effizient ins Englische reintrainiert, strotzen vor Spiellaune und lassen das Geschehen dicht und ansehnlich ablaufen, nicht zuletzt eine famose Kampfszene.
Neben der überdurchschnittlichen Geschlossenheit des Ensembles fallen sehr gutes Timing und stimmige Choreografie auf, abgesehen von exzellenten, teilweise selbst geschneiderten Kostümen und attraktiven Frisuren (das Stadttheater half mit) – das Auge schmaust an diesem Abend. Einen sehr charmanten Glanzpunkt setzen die von Martin Sommerhoff (Gitarre) eigens neu vertonten Songs, die geschickt barocke Anmutung und Popakzente so verbinden, dass sie zugleich auflockern und das Stück unterstützen.
Die Band (Eva Borchers, Akkordeon, Alexandra Plueckhan, Bass, und Felicitas Eser, Perkussion) ist in tadelloser Form. Schon zum zweiten Mal – letztes Jahr hatte eine Truppe unter Sommerhoff mit dem Schauspiel „Jake’s Women“ abgeräumt – erweist sich hier das Konzept als erfolgreich, wissenschaftliche Arbeit und die Umsetzung auf der Bühne zu kombinieren.
So wird man anderthalb Stunden bestens unterhalten, wobei aus dem beachtlichen Ensemble ein paar Figuren herausragen, allen voran Marcus Kleppe als Macheath mit überzeugender Präsenz und wirksamem Charme. Nicole Lüttich als Tochter Polly Peachum verblüfft erneut durch ihre komödiantische Lebensechtheit, und Katharina Müller als Lucy Lockit macht ebenfalls eine sehr gute Figur. Wohlgemerkt, das alles inmitten einer Kulisse fabelhaft authentischer Huren und zünftig zwielichtigen Gesindels. So vergeht die Zeit im Nu, bis Weiberheld Macheath schließlich unterm Galgen seufzt: „Two more wives? Tell the hangman I’m ready!“ Stürmischer, langer Beifall.
Es gibt noch Restkarten für weitere Aufführungen am 22., 23., 24. und 29., 30. April und am 1. Mai, jeweils 19 Uhr 30 (Einlass 19 Uhr) im Margarete-Bieber-Saal, Ludwigstraße 34. Reservierung wird dringend empfohlen: Im Internet www.Tickets@Keller-Theatre.de oder Telefon 06403-979 4090.