Gießener Anzeiger vom 23. August 2008

Bürgerdiskussion zur Nutzung der US-Liegenschaften

GIESSEN (fod). Einige Zeit ist vergangen, seitdem die letzten Angehörigen der US-Streitkräfte Gießen verlassen haben. Doch noch immer sind die amerikanischen Liegenschaften unzugänglich. Auch seitens der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), die für Gebäude und Außenflächen zuständig ist, gibt es bislang keine Auskunft, wie eine Nutzung aussehen könnte. Einigen Mitgliedern der Arbeitsgruppe Wohnen und Verkehr des Gießener Bündnis für Familie war es kürzlich möglich, die Wohngebäude in der Dulles- und Marshall-Siedlung sowie den Motorpool und das Gelände des PX-Supermarktes in Augenschein zu nehmen. So konnte Arbeitsgruppen-Mitglied Rainer Stoodt von der Gesellschaft für Soziales Wohnen bei der vierten Diskussionsrunde "Ein Stadtteil wird geboren" zur Zukunft der Liegenschaften im Zentrum für Interkulturelle Bildung und Begegnung (Zibb) erstmals über Details berichten.
"Der bauliche Zustand der Marshall-Siedlung ist fast so, dass man gleich einziehen könnte", sagte er. Die "sehr amerikanisch geschnittenen" Wohneinheiten hätten eine Größe von 70 bis 100 Quadratmeter, seien jedoch gegenüber den etwas größeren Offizierswohnungen in der Dulles-Siedlung schon mit neuen Küchen und Bädern ausgestattet. Zwar in weitgehend fertigem Zustand präsentiert sich die Millerhall, die frühere Volkshalle, doch käme deren Unterhaltung laut der Stadt "sehr teuer".
Die mit rund 150 Teilnehmern sehr gute Resonanz der Veranstaltung, zu der Stadt-Frauenbeauftragte Ursula Passarge und Rainer Stoodt eingeladen hatten, zeigte das große Interesse. Die Wünsche sind vielfältig: So setzte sich Heide Blum vom Verein Wohnen für Generationen für ein generationenübergreifendes Wohnmodell ein, während Norfried Stumpf vom Kellertheatre Giessen einen eigenen Bereich für kulturelle Angebote forderte. Noch konkreter sind die Vorstellungen der Mitglieder von ProWo Gießen, einer Gruppe aus Studierenden und Familien, die Vorschläge wie den Bau eines Blockheizkraftwerkes und die Schaffung eines einkommensabhängigen Mietmodells einbrachten. Winfried Dörr stellte, unterstützt von Gerhard Wiesmeier von der Lokalen Agenda Gießen, die Vorteile vor, die der Bau von Niedrigenergiehäusern bieten würde: "Sie erzeugen mehr Energie, als ihre Bewohner verbrauchen." Vorbild ist hier die Vauban-Siedlung am Stadtrand von Freiburg, wo aus einem ehemals französischen Militärgelände ein heute autofreies Wohngebiet für 5000 Menschen erwachsen ist.
"Bis zum Frühjahr nächsten Jahres müssen wir etwas vorweisen können", machte Rainer Stoodt deutlich. Die Bima sei zwar gerade erst am Erstellen eines Wertgutachtens. Durch eine zu späte Äußerung eigener Wünsche laufe man jedoch Gefahr, dass ein auswärtiger Großinvestor zuvorkomme.